Indonesien - "ein bisschen rebellisch"
BRICS-Beitritt Indonesiens "Ausdruck unserer freien und aktiven Außenpolitik"
Die Bedeutung des Beitritts Indonesiens zum Staatenbündnis BRICS wird nur wenigen in vollem Umfang bewusst sein. Das mit fast 283 Millionen Einwohnern bevölkerungsmäßig viertgrößte Land der Erde, und laut Weltbank gemessen an der Kaufkraftparität die zehntgrößte Volkswirtschaft, tritt in die neue multipolare Welt ein. Um es gleich vorweg zu sagen: Das kam nicht ganz überraschend und ist auch kein anti-westlicher Schachzug. Es ist vielmehr ein weiteres Indiz für die gigantische historische Verschiebung der politischen und wirtschaftlichen Machtbalance weg von der Quasi-Alleinherrschaft transatlantischer Elitezirkel hin zu einer vernetzten Ordnung ohne unipolaren Vormund. Dieser Trend wird sich auch 2025 mit zunehmendem Tempo fortsetzen: Nutznießer sind der Globale Süden, die Mittelmächte, die Mitglieder der Neuen Seidenstraße, die Verfechter einer ausbalancierten Weltgemeinschaft. Der Westen verliert nur, wenn er weiter auf Gegeneinander, Rivalität und Konfrontation setzt. Wenn er jedoch den Schulterschluss mit den BRICS sucht, wird er ebenfalls mehr Chancen als Risiken bekommen.
Am 20. Oktober 2024 trat der neue indonesische Präsident Prabowo Subianto sein Amt an. Sein Außenminister Sugiono reiste unmittelbar danach zum BRICS-Gipfel ins russische Kazan, um das Interesse Indonesiens an einer BRICS-Mitgliedschaft zu bekunden. Dieser Schritt "ist Ausdruck unserer freien und aktiven Außenpolitik", so der Minister. Laut Sugiono räumen die BRICS dem Fortschritt aller Entwicklungsländer Priorität ein und treten für eine Reform des multilateralen Systems ein, um zu einer einigenden Kraft für den Globalen Süden zu werden. Kurz nach dem Ende des BRICS-Gipfels gab der neue Präsident in der Hauptstadt Jakarta am 28. Oktober 2024 eine Erklärung ab, in der es heißt: „Wir sehen die BRICS als große Volkswirtschaften, wie Indien, Brasilien, China, Südafrika - und viele unserer Nachbarn sind bereits dabei. Thailand und Malaysia haben bereits Interesse bekundet, ebenso die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten." Auch Indonesien müsse in der Organisation Präsenz zeigen. Die Tatsache, dass Präsident Subianto die BRICS-Mitgliedschaft als Teil der außenpolitischen Agenda seiner Administration sofort in den Vordergrund gerückt hat, wird als Richtungswechsel gegenüber dem eher zurückhaltenden Vorgängerkabinett unter Joko Widodo gewertet. Dieser hatte noch abgewartet, um das Für und Wider abzuwägen.
Am 6. Januar 2025 kündigte die brasilianische Regierung schließlich die Vollmitgliedschaft Indonesiens in der BRICS-Gruppe an, weniger als eine Woche nachdem Brasilien den BRICS-Vorsitz übernommen hatte. Die Zeitung Rio Times sprach davon, dass der Beitritt Indonesiens ein kalkulierter Schritt sei, um die Vorteile für ihre Wirtschaft zu maximieren und gleichzeitig seine blockfreie Position zu bewahren. Der Journalist Rocco Caldero betonte: „Das Land muss seine neuen Allianzen mit den bestehenden Partnerschaften ausbalancieren und mögliche geopolitische Risiken managen, vor allem in seinen Beziehungen zu China und Russland“. Diese Entwicklung unterstreiche „die wachsende Bedeutung der Schwellenländer bei der Gestaltung des Welthandels, bei Investitionen und der geopolitischen Dynamik, was ein neues Kapitel in der Entwicklung der internationalen Wirtschaftsallianzen darstellt“. Die Zeitung Jakarta Globe zitierte einen Wirtschaftsberater des indonesischen Präsidenten mit den Worten, Indonesien sei als BRICS-Neuling zu groß, um sich auf nur ein Land zu stützen. Das Land solle sich nicht zu sehr darum sorgen, die USA zu verärgern, indem es einem Bündnis beitritt, das auch China einschließt. Wörtlich sagte der Berater namens Luhut: „Wir müssen unabhängig bleiben, aber es schadet auch nicht, ein bisschen rebellisch zu sein und zu zeigen, dass wir auch etwas zu sagen haben. Wenn man mich nach den Vorteilen einer BRICS-Mitgliedschaft fragt, dann denke ich, dass es unsere Exportmärkte vergrößern wird."
Statistiken zeigen, dass China der wichtigste bilaterale Handelspartner Indonesiens ist. Der indonesisch-chinesische Handel belief sich von Januar bis Oktober 2024 auf fast 110 Milliarden US-Dollar, während der Handel mit Südafrika im gleichen Zeitraum nur etwas mehr als 2 Milliarden US-Dollar und der Handel mit Ägypten etwa 1,5 Milliarden US-Dollar betrug. Die indonesische Regierung verfügt über einen nationalen Wirtschaftsrat, dessen Team die internationale Lage genau beobachtet und analysiert. Dazu gehören auch die Energiekrise in Europa und die großen Unsicherheiten im Zusammenhang mit den von Präsident Trump angedrohten Strafzöllen. Daher ist Indonesien natürlich auch an einer gewissen Distanzierung von Europa und einer schrittweisen Abkehr vom US-Dollar interessiert. Jakarta hat bereits entsprechende Institutionen geschaffen, um den Handel in nationalen Währungen wie Rupie und Yuan abzuwickeln. Dies sei im nationalen Interesse Indonesiens, erklärte ein Mitglied des nationalen Wirtschaftsrates gegenüber der indonesischen Presse. Der stellvertretende Minister für Energie und Rohstoffe, Yuliot Tanjung, meinte: „Wir können BRICS-Mitglieder wie Indien und China für unsere Märkte gebrauchen. Sie haben große Bevölkerungen mit großem Potenzial.“ Die möglichen Auswirkungen von Indonesiens offizieller Beteiligung an den BRICS auf die heimische Bergbauindustrie würden aktuell noch untersucht. Der stellvertretende Vorsitzende der indonesischen Peoples Consultative Assembly, Eddy Soeparno, sagte ebenfalls, dass eine Teilnahme an den BRICS Investitionsmöglichkeiten sowie Kredite für Regierungsprojekte, von Infrastruktur bis hin zu erneuerbaren Energien, generieren würde. „Es gibt auch Möglichkeiten für Wissenstransfer aus den BRICS-Ländern, Digitalisierung aus Indien und Technologie aus China“, betonte Soeparno.
„Wir müssen unabhängig bleiben, aber es schadet auch nicht, ein bisschen rebellisch zu sein und zu zeigen, dass wir auch etwas zu sagen haben." (Luhut Binsar Pandjaitan)
China engagiert sich bereits mit öffentlichen und privaten Investitionen in Indonesien. Dazu gehören Großprojekte wie die 142 Kilometer lange Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnstrecke zwischen den indonesischen Städten Jakarta und Bandung. Das über 7 Milliarden Dollar schwere Projekt wurde ab 2016 im Rahmen der "Belt and Road"-Initiative (BRI) oder "Neuen Seidenstraße" gebaut. Die indonesische Bezeichnung für die Eisenbahnstrecke lautet "Zeitersparnis, optimaler Betrieb, zuverlässiges System". Die Anfangsbuchstaben auf Indonesisch ergeben das Wort „Whoosh“, was wiederum lautmalerisch für die sagenhafte Geschwindigkeit des Zuges von 350 Kilometern pro Stunde steht. Als Deutscher wünscht man sich, dass diese Bezeichnungen irgendwann wieder auf hiesige Schnellbahnverbindungen anwendbar wären. Indonesien wünscht sich auch chinesische Investitionen in das größte öffentliche Projekt überhaupt, die neue Hauptstadt Nusantara Capital City in Ost-Kalimantan. Im Privatsektor wurden vor allem Joint Ventures im Rohstoffbereich wie Nickel, Kupfer und Gold gegründet. China sichert sich damit den Zugang zu kritischen Mineralien und anderen Sektoren. Vor diesem Hintergrund widmete die größte englischsprachige chinesische Tageszeitung China Daily der Bedeutung des Beitritts Indonesiens gleich mehrere Meinungsartikel. Das Interesse südostasiatischer Länder an den BRICS zeige, „dass sich der Schwerpunkt des Einflusses mehr und mehr nach Asien verlagert“. Es sei ein Meilenstein in der Geschichte der BRICS, die nun fast die Hälfte der Weltbevölkerung und ein Drittel der Wirtschaftsleistung repräsentierten.
Auch deutsche Unternehmen siedeln sich zunehmend in den Sonderwirtschaftszonen Indonesiens an. Die Gesellschaft für Außenwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland (GTAI) befragte Unternehmer, die sich in Indonesien niedergelassen haben. Mit der Verkehrsinfrastruktur sei man sehr zufrieden, wichtige Transportwege seien durch zweispurige Autobahnen verbunden und der Seetransport zwischen China und Indonesien funktioniere hervorragend, heißt es. Mit den Mitarbeitern, alle hochmotiviert, gut ausgebildet und sehr ehrgeizig, sei man zufrieden. Zwischen 2012 und 2023 wurden in Indonesien 20 Sonderwirtschaftszonen mit einem weltweiten Investitionsvolumen von insgesamt 10,5 Milliarden Euro eingerichtet. 2024 kamen vier weitere hinzu. Die Investoren haben im Jahr 2023 rund 57.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, kumuliert seit 2012 rund 118.000. Der Beitritt Indonesiens zu den BRICS wird sicherlich zusätzliche Investitionen anziehen. Während eines Besuchs von Subianto in Moskau Ende Juli 2024 soll der russische Präsident Putin von Investitionsprojekten in den Bereichen Energie, Transport und Infrastruktur gesprochen haben. Der deutschen Presse ist die ganze Sache deshalb gleich suspekt. Die Frankfurter Rundschau bezeichnete Indonesiens Eintritt bei den BRICS sogar als „Putins Bollwerk gegen den Westen“. Doch die Schlagzeile täuscht. Der interviewte Experte Dennis Suarsana sagte, der Beitritt Indonesiens sei ein großer diplomatischer Erfolg für den BRICS-Vorsitzenden Brasilien, „auch um Befürchtungen entgegenzutreten, die BRICS würden sich in Richtung eines antiwestlichen Blocks entwickeln“. Suarsana weiter: „Zudem sieht sich Indonesien als Anwalt des Globalen Südens und sieht den BRICS-Beitritt auch als Schritt zur Stärkung der Süd-Süd-Zusammenarbeit“.
Der Beitritt Indonesiens zu den BRICS zeigt symptomatisch, dass für bevölkerungsreiche Schwellenländer das damit einhergehende Zukunftspotential der ausschlaggebende Punkt ist. Investitionen und neue Marktchancen werden erwartet. Darüber hinaus werden die BRICS als willkommene Gelegenheit gesehen, dem kollektiven Globalen Süden und damit der überwiegenden Mehrheit der Menschheit eine starke Stimme zu geben. Ziel ist eine internationalen Ordnung, die allen Entwicklungsländern eine gleichberechtigte Perspektive auf Entwicklung und politische Teilhabe einräumt. Es ist in der Tat ein großer diplomatischer Erfolg, dass Brasilien seine BRICS-Präsidentschaft von Anfang an dafür nutzt, wichtige Länder der südlichen Halbkugel aufzuwerten und zu integrieren. Dies betrifft nicht nur Indonesien, sondern bald auch Nigeria, Malaysia, Thailand, Vietnam, Bolivien und einige der ärmsten Länder wie Kuba und Uganda. Der gelungene Auftakt der brasilianischen BRICS-Präsidentschaft lässt hoffen, dass bei den rund 100 Veranstaltungen in der Hauptstadt Brasilia weitere entscheidende Weichen gestellt werden, die den von Kolonialismus und Unterentwicklung gebeutelten globalen Süden einen großen Schritt voranbringen. Dazu gehören auch der Aufbau verlässlicher Zahlungssysteme mit nationalen Währungen, eine BRICS-Handelswährung, und vor allem eine drastische Ausweitung von nicht an Bedingungen geknüpften Entwicklungskrediten für große Infrastrukturprojekte in den Bereichen Energie, Verkehr, Gesundheit, Städtebau und anderen grundlegenden Wirtschaftsparametern. Und statt ständig das Gespenst einer antiwestlichen Bedrohung an die Wand zu malen, könnte der Westen konsequent die Chancen der Kooperation und des Brückenbaus betonen. Dazu bedarf es diplomatischer und staatspolitischer Initiativen, die nicht von der typischen Selbstüberschätzung westlicher Eliten geprägt sind.
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